Brief der DGPT zum Angriff der Hamas auf Israel

Brief an alle Mitglieder der DGPT

Am 7. November war es vier Wochen her, seit die Hamas in einer unfassbaren Terroraktion ein grausames Massaker in Israel angerichtet und dabei weit mehr als 200 Geiseln gefangengenommen hat. Sie hat auf eine abscheuliche Art und Weise mit einer an Sadismus kaum zu überbietenden Schamlosigkeit die Morde, Verschleppungen und Folterungen in den sozialen Medien verbreitet und damit auch uns getroffen und zu Zeugen dieser Barbarei gemacht.

Am 9. November erinnerten wir uns daran, dass vor 85 Jahren die Synagogen brannten und jüdisches Leben dem Terror des NS-Regimes zum Opfer fiel. Josef Schuster, der Zentralratsvorsitzende der Juden, sprach auf der Gedenkfeier in Berlin jedoch vom „Progrom unserer Zeit" - „Es ist etwas aus den Fugen geraten in diesem Land".

Uns fehlten die Worte, wie wir angemessen auf dieses Geschehen reagieren sollten - uns fehlten die Worte, wie wir ausdrücken sollten, wie ohnmächtig und hilflos wir uns fühlen angesichts der terroristischen Gewalt der Hamas. Wie wir ausdrücken könnten, wie sehr wir diese Taten verurteilen und mit den in Israel Betroffenen trauern und gleichzeitig unser Mitgefühl allen gilt, die in der Folge dieser terroristischen Akte in dem nun entbrannten Krieg zum Opfer werden. Wie sehr wir darum trauern, dass dieser Akt der Gewalt die Friedensbestrebungen vernichten möchte und zerstört. Friedensbestrebungen, die gerade von den Menschen unterstützt wurden, die aktuell von der Gewalt am meisten betroffen sind. Uns fehlten die Worte, wie wir unser Entsetzen und unsere Bestürzung hierüber zum Ausdruck bringen können.

In den letzten Wochen erleben wir aber auch hier in Deutschland, wie die Angst verstärkt einzieht unter jüdischen Mitbürgern, wie auch hier offener Antisemitismus sichtbar wird. Deshalb wollen wir nicht länger schweigen. Dabei bedienen wir uns auch der Worte von Jüdinnen und Juden, die uns ihre Stimme leihen, um etwas von dem auszudrücken, was in uns vorgeht.

Robert Habeck hat in seiner denkwürdigen Rede am 2. November in einer großen Klarheit formuliert, dass Antikolonialismus nicht zu Antisemitismus führen darf. Die mangelnde Klarheit hierüber führt offensichtlich auch zu Verletzungen. Marina Klimchuk, eine linke Israelin, prangert in einem sehr bewegenden Text in der ZEIT (Z:ETT 18. Oktober 23) die Tatsache an, dass der Massenmord durch die Beschreibung als einen Akt der Dekolonialisierung eine für sie nicht nachzuvollziehende Bagatellisierung erfährt. Sie schreibt „die israelische Linke fordert ... Einen Waffenstillstand, um die humanitäre Katastrophe in Gaza zu beenden. ... Ich fordere das auch. Aber ich merke, dass etwas zerbrochen ist. Die Wahrheit ist: Die Reaktionen, die auf das Massaker der Hamas folgten, haben mich sehr verletzt. ... Denn welchen Wert hat Empathie, wenn sie nur für eine Seite gemeint ist. Wer es ernst meint mit der Solidarität, dem muss sie für alle gelten". Robert Habeck sagt es so: „die Solidarität mit Israel wird rasch brüchig".

Wir sehen uns in der Verantwortung gegen jegliche Form von Antisemitismus Stellung zu beziehen und all jene, die wir unterstützen können, zu schützen, an ihrer Seite zu stehen, unsere Solidarität auszudrücken.

Wir sehen uns aber auch in der Verantwortung, uns für eine Mitmenschlichkeit einzusetzen, die es in diesen polarisierten Tagen schwer hat - die Hamas hat nicht nur israelische Geiseln genommen, sie nimmt auch die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza in Geiselhaft. Die humanitäre Katastrophe, in der die Menschen leben, die Angst und die vielen zivilen Opfer auf beiden Seiten der Grenzen, die Bilder, die uns jeden Tag erreichen bewegen uns und machen uns fassungslos.

Was können wir als Gesellschaft - auch als Fachgesellschaft tun?

Batia Prosh-Palmoni, die Präsidentin einer der israelischen jungianischen Gesellschaften, schrieb in einer Antwort an die DGAP auf diese Frage, dass es aktuell keine Worte gibt, um dazu etwas zu sagen. „Was kann Psychotherapie angesichts dieses Traumas überhaupt bedeuten?". Es braucht wohl Zeit - und es braucht Menschen, die immer wieder darum ringen, die Verbindung zum Anderen nicht zu verlieren und weiter um eine friedliche Lösung zu kämpfen, auch wenn diese weiter in die Ferne gerückt scheint denn je.

In der Zwischenzeit haben uns auch Stellungnahmen der israelischen Fachgesellschaften erreicht, die wir mit Ihnen teilen möchten.

Stament des Israeli Institute of Jungian Psychology

Der Vorstand der DGPT

Birgit Jänchen – van der Hoofd
Rupert Martin
Christine Bauriedl-Schmidt
Birgit Pechmann
Ingrid Moeslein-Teissing